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Plan B: B wie Bodenhaftung

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Genau zwischen der ersten und zweiten Novembersessionswoche fanden die Abstimmungen statt. Entgegen der Empfehlung von Regierung und Palrament lehnte die Berner Stimmbevölkerung die Änderung des Kantonalen Steuergesetzes ab. Auf die Nachfrage der Journalistinnen und Journalisten, was der Kanton Bern den nun mache, liessen sich sowohl Regierungsrätin Beatrice Simon als auch Regierungsrat Christoph Ammann mit „das wissen wir noch nicht“ und „wir haben keinen Plan B“ zitieren.

Während verschiedene grosse Unternehmen auf Nachfrage der Medienleute angaben, zu prüfen, wie sie mit der überdurchschnittlichen Steuerlast im Kanton Bern umgehen wollen, zuckte die Berner Regierung mit den Schultern und gab zu Protokoll: „Ja, jetzt müssen wir halt erstmal schauen. Wir haben noch keinen Plan B.“

Keinen Plan B zu haben, scheint in Mode zu sein

Keinen Plan B zu haben, obwohl sich alle Beteiligten bewusst waren, dass es ein knappes Abstimmungsergebnis geben könnte, macht meiner Meinung nach genau so schlechte Werbung für unseren Kanton, wie es die überdurchschnittlich hohen Steuern tun. Aber ohne einen Plan B in umstrittene Abstimmungskämpfe zu ziehen, scheint in Mode gekommen zu sein. Ich glaube mich zu erinnern, dass auch der Bundesrat mit einem Schulterzucken und dem Wortlaut „wir haben keinen Plan B“ reagierte, als das Stimmvolk die AHV-Reform und Unternehmenssteuerreform III bachab schickte. Einige Parlamentarier liessen sich damals sogar zur unterschwelligen Drohung hinreissen, dass es keine bessere Reform geben würde, als die, die das Volk eben versenkt hatte. Ich interpretierte diese Aussagen ungefähr so: „Ihr wollt einen anderen Vorschlag, als den, den wir für euch erarbeitet haben? Könnt ihr haben, aber auch dort werden wir nicht auf eure Bedürfnisse eingehen.“

Wir brauchen Lösungen, die sich langfristig auszahlen

Denn darum geht es doch bei den Abstimmungen: Die Stimmbevölkerung entscheidet, ob sie mit den vorgeschlagenen Vorlagen, Strategien und Lösungswegen langfristig leben kann und will. Die Abstimmenden drücken mit ihrem JA oder NEIN auf dem Stimmzettel ihr Vertrauen oder Misstrauen in die Regierung und das Parlament aus. Die Bevölkerung will politische Lösungen, von denen sie glaubt, dass es ihr langfristig besser geht als heute – oder zumindest nicht schlechter.

Die Steuergesetzrevision war wichtig für den Kanton Bern. Genau so wie es die AHV-Revision oder die eidgenössische Unternehmenssteuerreform auch waren. Dennoch reihen sich hier drei Ablehnungen hintereinander. Es scheint, als würden unsere Politiker und Politikerinnen an der Bevölkerung vorbei politisieren. Bürgerliche Vorlagen werden in bürgerlichen Kantonen abgeschmettert und von links unterstützte Anliegen von linken Wählerinnen und Wählern zurückgewiesen. Es scheint mir nicht ein Problem einer einzelnen Partei zu sein, sondern ein Problem der Politik an sich. Es kommt mir vor, als hätten die politischen Vertreter/innen (zumindest teilweise) den Draht zur Basis verloren.

Abheben kann ganz einfach sein

Seit gut einem halben Jahr bin ich selbst Teil dieses Polit-Zirkusses. Nicht mehr lange, und es werden Vorlagen zur Abstimmung kommen, bei denen ich als Teil des Berner Parlaments mitgewirkt habe. In den drei Sessionen, in denen ich nun als Grossrätin im Kantonsparlament sass, habe ich schon bemerkt, wie verführerisch es manchmal sein kann, sich auf eine vermeintlich einfache Lösung einzuschiessen. Immer wieder kommen angebliche Profis auf uns Grossräte zu und versuchen uns, mit ihren Argumenten zu überzeugen. Die Argumentarien klingen in der Regel schlüssig und einleuchtend. Sich selbst eine Meinung zu bilden, ist der beschwehrlichere Weg, als den Empfehlungen der Lobbys zu folgen.

 

Ein Teil der glp-Fraktion im Grossen Rat

Noch stelle ich viele Fragen zu politischen Geschäften und hinterfrage angebliche Tatsachen, die es zu akzeptieren gilt. Noch spüre ich meine Wurzeln bei jedem politischen Entscheid, den ich mitfälle. Noch bin ich hauptberuflich nicht politisch tätig, sondern arbeite die meiste Zeit mit Unternehmern aus KMUs zusammen. Noch ist der Grossteil meines Freundeskreis nicht politisch aktiv. Noch werde ich von Familie und Umfeld regelmässig auf den Boden der Tatsachen – oder eben auf den Boden der Normalbürger zurückgeholt, sollte ich mal der Versuchung erliegen, politisch abzuheben.

Wir brauchen Bodenhaftung

Mit Blick auf die letzten für uns wichtigen Abstimmungen rund um Unternehmenssteuern und Altersvorsorge bin ich dankbar für die ganzen bodenhaftung-spendenden Faktoren in meinem Leben. Ich bin überzeugt, dass man die Stimmbevölkerung nur dann überzeugen kann, wenn die Politiker und Politikerinnen nicht als „Die da oben“ wahrgenommen werden, sondern als „Eine/r von uns“. Bodenhaftung, das brauchen wir Politisierende unbedingt.  Es spielt dabei keine Rolle, ob man die Interessen der Wirtschaft, Kultur, Landwirtschaft, Gesundheit, Bildung oder Pflege vertritt. Wichtig ist, dass man Eine oder Einer der Menschen ist, die man vertritt. Einer oder Eine von denen, die einen gewählt haben.

Mir kommt es vor, als hätten manche langjährige Politiker und Politikerinnen über die Jahre im Paralleluniversum der Politik eben diese Bodenhaftung verloren. Sie glauben zu wissen, was ihre Wählerbasis will. Aber glauben zu wissen reicht nicht aus. Genau so wenig reicht es aus, über Facebook und Twitter Argumente rauszuhauen und in den Kommentarspalten von Online Zeitungen Diskussionen vom Zaun zu reissen. Und man kann auch nicht davon ausgehen, seine Wähler zu kennen, wenn man zu jedem Lobby-Anlass eingeladen wird.

Notiz an die Barbara der Zukunft

Ich hoffe, ich erinnere mich während meiner ganzen politischen Laufbahn immer an meine eigenen Worte, die ich hier in die Tasten haue. Die Nähe zu meiner Basis, zu den Menschen, die in kleinen Gemeinden leben, in kleinen und mittleren Unternehmen arbeiten, regional verankert sind aber global denken und mit ihrem Handeln unsere Welt als lebenswert erhalten wollen, die Nähe zu ihnen will ich nicht verlieren. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie mir ihre Meinung geigen sagen, ist mein Sicherheitsgurt, damit ich später nicht einmal schulterzuckend vor einem Journalisten stehe und mich mit einem „Ich habe keinen Plan B“ zitieren lassen muss.

4 Comments

  1. Regina sagt:

    Bravo, Barbara
    Du reflektierst und hinterfragst und lässt hinterfragen. Das finde ich stark.
    Herzlichst
    Regina

  2. Ursula sagt:

    Ich wünsche mir, dass es mehr Menschen wie dich in der Politik gibt!!! Nämlich Menschen, die sich mit den Themen wirklich auseinandersetzen, um pragmatische Lösungen zu finden.. Das erwarte ich von der Person oder Partei, der ich meine Stimme gebe. Herzlichen Dank dir für deinen Einsatz!!!

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